frisches aus Singapur vom SID:
Die Stimmung wollte sich Angelique Kerber nicht verderben lassen. Während Serena Williams und Kolleginnen in extravaganten Designer-Roben für die Weltpresse posierten, stand die deutsche Nummer eins lässig im T-Shirt auf dem Dach ihres Hotels und fotografierte aus dem 57. Stock den atemberaubenden Ausblick auf Singapur.
Als erste Ersatzspielerin durfte Kerber in diesem Jahr nicht an der pompös aufgezogenen Auslosung für das am Montag beginnende WTA-Finale (bis 26. Oktober) teilnehmen. "Ich wusste, dass es Momente geben wird, die ein bisschen bitter werden. Aber ich freue mich trotzdem, hier zu sein", sagte die Kielerin.
Keine Zeremonie, keine Make-Up-Session, kein roter Teppich diesmal für "Angie" – und zunächst nur der Platz auf der Tribüne. Die Qualifikation für das Turnier der besten Acht hatte Kerber als Nummer neun des Jahres-Rankings knapp verpasst. "Ich bin auch jetzt noch enttäuscht. Aber es ist eine gute Motivation, um zu sagen: Nächstes Jahr will ich wieder richtig dabei sein." So wie 2012 und 2013 in Istanbul, als sie auf den Geschmack gekommen war.
Ganz aufgegeben hat die 26-Jährige die Hoffnung auf einen Einsatz beim mit 6,5 Millionen Dollar dotierten Event der Besten, bei dem sich die jeweils ersten Beiden der zwei Vierergruppen für das Halbfinale qualifizieren, aber nicht. "Ich glaube, die Chance ist für mich relativ groß", meinte die Wimbledon-Viertelfinalistin.
Spielerinnen wie die viermalige Gewinnerin und Favoritin Serena Williams (USA), Eugenie Bouchard (Kanada) oder Ana Ivanovic (Serbien), die gemeinsam mit der Rumänin Simona Halep in die Rote Gruppe gelost wurden, plagten sich zuletzt mit Verletzungen. In der Weißen Gruppe treffen Roland-Garros-Siegerin Maria Scharapowa (Russland), Wimbledon-Gewinnerin Petra Kvitova (Tschechien), US-Open-Finalistin Caroline Wozniacki (Dänemark) sowie die Polin Agnieszka Radwanska aufeinander.
Von Montag an muss Kerber im Indoor Stadium allzeit bereit sein, sie steht auf Abruf. Die Zeit in Singapur will sie unter anderem auch nutzen, um sich für das Fed-Cup-Finale gegen Gastgeber Tschechien am 8./9. November in Prag in Form zu bringen.
Nach der knapp vierwöchigen Asien-Tour, insgesamt 69 Einzelmatches 2014 und der Hatz über die Kontinente waren bei Kerber zuletzt die Akkus einigermaßen leer. Dazu kam eine Magen-Darm-Grippe. Die US-Open-Halbfinalistin von 2011 zog die Reißleine und gönnte sich eine kleine Auszeit. "Ich brauche immer mal wieder dieses komplette Abschalten vom Alltag", sagte Kerber dazu.
Zusammen mit Freunden verbrachte sie ein paar Tage in den polnischen Bergen und ließ sich von der Natur faszinieren: "Einmal bin ich morgens um fünf aufgestanden und mit Taschenlampe auf den Gipfel gewandert, um den Sonnenaufgang zu sehen."
Blickt die stets selbstkritische Kerber auf die Saison zurück, so ist sie einigermaßen zufrieden. Zum dritten Mal in Folge geht sie als Top-Ten-Spielerin in eine neue Spielzeit. Was die Kämpfernatur allerdings immer noch wurmt, sind die vier Finalniederlagen 2014.
Besonders ihr Aufschlag bleibt ein Schwachpunkt. "Ich glaube trotzdem, dass die beste Phase noch vor mir liegt", meinte Kerber. Der Fed-Cup-Titel hätte für sie höchste Priorität. "Das wäre der Wahnsinn, ein Highlight meiner Karriere", sagte die Weltranglistenzehnte, die jetzt erstmal in Singapur auf einen Einsatz hofft – durch die Hintertür.
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